Mittwoch, 20. April 2011

Dr. Oetkers spanische Schokolade für Studenten

Männer lieben Dr. Oetker
Ein Best of zusammenzustellen ist glaube ich eine wahre Freude. In der Regel bedeutet dies - z.B. in der Musikindustrie - man hat bereits ein breites Opus abgeliefert und jetzt geht es nur noch ums Rosinenrauspicken. All killer, no filler. Der Dr. Oetker Verlag blickt mit seinem Best of Studentenfutter nun zurück auf ein gutes halbes Dutzend Bände der Reihe Studentenfutter, in der man sich den kulinarischen Wünschen und Bedürfnissen von Studenten widmet. Momentmal, Studenten? Ja, das bin ja ich! Benja-George Blümchen, töröööö! Oder so ähnlich. Aber was macht ein Studentenkochbuch aus? Was versteht man unter Student? Es geht nicht um die theoretische Qualifikation an einer Universität studieren zu können und es geht auch nicht darum, dass sich jemand auf einem bestimmten Gebiet besonderes Wissen aneignen möchte. Das ist klar. Lese ich Studentenkochbuch denke ich, ich möchte mit erschwinglichen Zutaten und ohne großem Brimborium in der Lage sein, alltägliche Dinge zuzubereiten, die lecker sind, aber auch möglichst gesund. Student ist im Bezug auf die Reihe jedoch in erster Linie gleichbedeutend mit dem ersten Schritt heraus aus einem zumindest in kulinarischer Hinischt fürsorglichen Umfeld. Studenten sind hier Erstsemester, die das erste Mal ohne Mutti in der Küche etwas für sich zubereiten möchten müssen, und für welche die Mensa zumindest nicht als alternativlos erachtet wird. Dass ich, als freudig kochender und vor allem sehr gern essender Student nicht zwangsläufig paradigmatisch für dieses Kochbuch bin, sei geschenkt. Aber auch der Großteil meiner studentischen Freunde ist nicht völlig unbedarft was Kochen anbelangt. Insofern muss sich zeigen, was hier geboten wird. Schauen wir uns die Bewertungskategorien im Einzelnen an:

Persönlichkeit - ★☆☆☆☆☆☆
Dass es sich bei dem Kochbuch um eine Sammlung von Rezepten für Studenten handelt, ist eher als Thema zu verstehen. Vielleicht so, wie es Kochbücher für Microwellengerichte, Tapas, oder Zutaten aus einer bestimmten Discounterkette gibt. Das hat ersteinmal nichts mit Persönlichkeit zu tun. Dass das ganze dann auch eher als Sammelsurium von verschiedenen Autoren angesehen werden muss, ist dem Aspekt der Persönlichkeit auch nicht zuträglich. Letztlich hat man nie das Gefühl, dass da tatsächlich Autoren/Köche mit bestimmten Vorlieben, Einstellungen und Ansichten sitzen. Es erscheint eher, als sei mittels einer Zeitmaschine Tante Oetker aus den nicht-ganz-so-swinging-60s eingeflogen, und zeigt in der Küche mit fetzigen Slogans ("richtig lecker", "wie bei Muttern", "keiner bleibt gern in der Lernwabe hocken") und unglaublichen Wortspielen ("das Studium des Kühlschrankes", "Backwahn"), was so alles geht. Das wirkt teilweise unbeholfen und anachronistisch (wie jeder Versuch "Jugendkultur" darzustellen, ohne zur "Jugendkultur" zu gehören.) Es tut mir leid, aber das Buch hat keine Persönlichkeit. Ein Troststern für das Thema.

Rezepte - ★★★☆☆☆☆
Das bunte Potpourri des oetkerschen Œuvres deckt eine Vielzahl von Geschmäckern und Situationen ab, so dass sich Salate, Suppen, Hauptgerichte, Desserts, Kuchen, bis hin zu Getränken und Cocktails alles darin findet. Positiv an vielen fleischhaltigen Gerichten ist, dass vegetarische Varianten vorgeschlagen werden und dabei nicht einfach Fleisch durch Tofu ersetzt wird - wie ich das immer mache. Außerdem sind die Zutaten alle gut zu bekommen und mit den manchmal etwas übertrieben akkuraten Zubereitungszeiten (55 Minuten? Eat this Jamie!), steht zumindest immer eine Richtlinie da, die man einkalkulieren kann. Und für den Statistikstudent bekommt man zusätzlich immer eine Nährwerttabelle angeboten. (Deren Akkuratheit natürlich von den tatsächlich verwendeten Zutaten abhängt. Unschärferelation und so.) Der Anspruch der verschiedenen Rezepte variiert dann jedoch stark. Mit der Carbanossi-Reis-Pfanne ("ganz simpel"), einem einfachen Risotto, bei dem man nicht ständig rühren, sondern die Flüssigkeit auf zweimal an den Reis gibt, steht auf jeden Fall ein Gericht mit einem gehobenem Anspruch im Buch. Mit - festhalten! Jetzt ehrlich, festhalten! Am besten erst hinsetzen und dann festhalten! - dem ausfürhlichen, in zwei Schritten dargelegten Rezept für ein - ich widerhole mich, aber trotzdem: festhalten! - Spiegelei ("schnell und lecker"), ist auch etwas für die völlig Ahnungslosen dabei. (Ich persönlich stelle mir da einen Studenten aus dem Fachbereich für theoretische Physik oder doch zumindest einen Philosophen vor.) Und, ja, es gibt auch ein Rezept mit vier Variationen zum Thema Rührei ("richtig schnell"). Insgesamt deckt sich die Auswahl jedoch mit den wenig inspirirenden und verlockenden Angeboten der lokalen Mensen. Angenommen, die Rezepte in einem Kochbuch wären die Angebote eines Restaurantes, dann würde ich hier nicht essen wollen. Und wenn es darum gehen soll, dass hier jemandem die totalen Basics beigebracht werden - inklusive dem Spiegelei -, dann vermisse ich eben diese totalen Basics.

Fotos - ★☆☆☆☆☆☆
Kennt ihr den Farbpapier-Collagen-Filter bei Photoshop? Damit wird ein Foto in einer stark reduzierten Anzahl farbiger Flächen dargestellt. Das kann mal lustig sein, da es, wenn man sich sehr viel Mühe gibt tatsächlich ein wenig an eine Papiercollage erinnern kann. In der Regel, wenn man einfach nur den Knopf drückt, sieht es eher scheiße aus. (Vgl. das mouseover unten.) Jetzt stellt euch vor, ihr würdet ein Kochbuch durchblättern, bei dem in ausnahmslos allen Fotos der gesamte Hintergrund und alle Objekte die nicht das jeweilige Gericht darstellen, als Photoshop Farbpapier-Collage dargestellt würden? Klingt gruselig? Ist es auch. Vermutlich ist es dieser Jugendkultur-Schick, der hier bedient werden soll. Den Troststern gibt es neben diesem wirklich völligen Totalausfall dafür, dass jedes Gericht abgebildet ist, und dass die zwar wie ausgeschnitten hineingestanzt wirkenden Gerichte eigentlich ganz nett ausschauen. Hätte man nicht auf den Farbcollage-Button geklickt, wären hier locker vier Sterne drin gewesen.

Übersichtlichkeit - ★★★☆☆☆☆
Die Rezepte im Buch sind nach fünf Kategorien sortiert: "Für den ewigen Hunger", "Partyfutter", "Freiluftfutter", "Backwahn" und "Getrunken wird immer". Hinzu kommen zu jedem Rezept bestimmte, sich wiederholende Symbole, leider ohne Legende. Das ist nicht dumm. Aber auch nicht überaus komfortabel, da man, wenn man etwa ein Rezpt für Reis-Käse-Salat ("der geht immer") sucht, zunächst überlegen muss, ob dies nun eher Partyfutter, Freiluftfutter oder für den ewigen Hunger ist. Natürlich gibt es einen alphabetischen Index, der hier abhilft. Außerdem fällt ins Gewicht, dass zwar sehr gut darüber nachgedacht wurde, dass "Studenten" in der Regel allein wohnen, oder doch zumindest allein für sich in ihrer WG-Küche kochen, und so die meisten Mengenangaben für eine Person abgestimmt sind. Dass dann im Kapitel Partyfutter plötzlich Mengen für Gruppen zwischen 6 und 12 Personen variieren, erscheint mir unpraktisch. (Dass nicht alle "Studenten" Mathematik belegen ist übrigens auch bedacht, denn man findet immer wieder Hinweise, dafür, dass man anstelle der vorgesehenen zwei Portionen vier Portionen zubereiten kann, indem die Menge der Zutaten mit zwei multipliziert.) Alle Zutaten sind mit Nährwertangaben in einem stylischen Kästchen mit abgerundeten Ecken aufgelistet, dass jeweils irgendwie schräg, knallbunt und mit ein paar Klecksen versehen abgebildet wird.

Kommen wir zum Praxistest. Ich habe mich nach langem Überlegen für ein Getränk entschieden, da ich glaube, dass gerade die Auswahl an Kuchen und Getränken noch am spannensten im ganzen Buch ist.

Spanische Schokolade für Studenten
Spanische Schokolade ("raffiniert")

Zutaten:
60g Zartbitter-Schokolade
500ml Milch
1 TL gemahlener Zimt
2 Eier (Größe M)

1. Zartbitter-Schokolade reiben. Milch, geriebene Schokolade und Zimt in einem Topf bei schwacher Hitze unter rühren so lange erwärmen, bis die Schokolade geschmolzen ist. 2. Eier unterrühren und so lange unter Rühren erhitzen (geiles Wortspiel, oder? Anm. George), bis ide Schokolade dicklich ist. Die Masse nicht kochen lassen, da das Ei sonst gerinnt. 3. Die spanische Schokolade in 2-3 Gläser füllen, nach Belieben mit geriebener Schokolade garnieren und sofort servieren.
Rezept drucken

Praxistest - ★★★☆☆☆☆
Das Ergebnis war mäßig berauschend. Während das, was auf den Fotos eher an Mousse au Chocolat erinnert, ist meine Spanische Schokolade mehr ein leicht breiiger Kakao. Geschmacklich hat mich das Ergebnis auch nicht wirklich überzeugt. Es ging aber auch nicht völlig in die Hose. Andere Rezepte hingegen, etwa die Zubereitung des Spiegeleis nach Anleitung, funktionierten hingegen gut.

Geben wir nun die Einzelwertungen in meine geheime Formel mit der Bauchgefühlskonstanten ein, erhalten wir folgendes, subjektives Ergebnis:

Gesamtwertung - ★★☆☆☆☆☆
Vielleicht als erstes Kochbuch überhaupt geeignet, ansonsten leider so uninspirierend und überflüssig wie eine Best Of Bryan Adams CD.

Dr. Oetker Studentenfutter Best Of

Irmgard Radke, Anke Rabeler
Studentenfutter - Best of
192 Seiten, gebunden rund 120 Farbfotografien
erschienen bei Dr. Oetker Verlag
ISBN 978-3-7670-0993-6
Preis: 14,99 €

4 Kommentare:

  1. ....so uninspirierend und überflüssig wie eine Best Of Bryan Adams CD.

    Auweia, wie gemein ... aber da ich aus dem Studentenzeiten raus bin, bin ich ja sowieso nicht die Zielgruppe dieses Buches.
    Frohe Ostern!
    Frau-Irgendwas-ist-immer (sonst immer nur leise Mitleserin)

    AntwortenLöschen
  2. Frau-Irgendwas-ist-immer, gäbe es immer nur Lobhudelei, wäre das ja auch unglaubwürdig.

    Aber schön, dass du deine Stille mal gebrochen hast. Fühl dich eingeladen, mehr anzumerken. Aber natürlich darfst du auch weiterhin nur still mitlesen.

    AntwortenLöschen
  3. Spiegelei-Rezept, lol.
    Na, dann werde ich das mal nicht kaufen, was? :D

    AntwortenLöschen

Auch anderer Meinung als Jim? Hinterlass einfach deinen Kommentar.

LinkWithin

Related Posts Plugin for WordPress, Blogger...