"Meiner Steviapflanze im Garten widme ich mich wohl erst dann, wenn die Kinderplanung abgeschlossen ist."
///Jim
Ein Test samt Beurteilung von Stevia in flüssiger Form.
Kürzlich erreichte mich eine Anfrage von steviakaufen.com, ob ich nicht mal eines ihrer Produkte testen und hier im Blog darüber schreiben möchte. Die Steviapflanze war mir zu diesem Zeitpunkt schon bekannt und stand auch schon als Pflanze in meinem Garten. Kulinarisch genutzt habe ich es aber noch nicht. Neugierig war ich schon auf das neue "Wundermittel" und ausprobieren wollte ich es auf jeden Fall. Da habe ich die Gelegenheit beim Schopf ergriffen und sagte dem Test zu.
Ich durfte wählen zwischen den verschiedenen Steviaprodukten, die steviakaufen.com anbieten. Also ob ich das Zeug lieber flüssig, als Tab oder in Pulverform wollte. Aus dem Bauch heraus habe ich mich für die Flüssigvariante entschieden und bekam bald darauf ein kleines 50ml Fläschchen zugesandt. Bevor ich aber über meine Versuche berichte mit Stevia zu kochen bzw. zu backen möchte ich ein paar Informationen über Stevia loswerden.
Im Prinzip ist es schon falsch an dieser Stelle von Stevia zu sprechen, denn was als Süßungsmittel verkauft wird ist nicht die Steviapflanze an sich, sondern nur zwei ihrer Bestandteile, sogenannte Steviolglycosiden. Die Steviapflanze an sich ist nämlich in der EU noch nicht für den Lebensmittelmarkt zugelassen! Lediglich Steviosid bzw. Rebaudiosid A ist in der EU als Zusatzstoff E 960 zugelassen. Die Pflanze wird als Zierpflanze verkauft, getrocknete Blätter als Badezusatz. Das lässt mich schonmal aufhorchen und den ganzen Stevia-Hype etwas kritischer betrachten.
Die Vertreiber von Stevia setzen in der Werbung vor allem auf die Kalorienarmut der Inhaltsstoffe - diese sind unbestritten, besonders gegenüber dem Zucker. Naschen ohne etwas Bereuen zu müssen? Klingt nach einer guten Sache. Tatsächlich ist es so, dass die Verwendung von E 960 die Kalorienmenge eines Produktes drastisch reduzieren kann. Bei Schokolade fällt das leider nicht so hart ins Gewicht, wie es das bei Getränken tut. Deshalb hat auch wohl gerade der Coca-Cola Konzern ein großes Auge auf diese neue Wunderpflanze geworfen.
Neue Wunderpflanze? Nein! Ein weiteres Argument für Stevia und dessen Inhaltsstoffe ist, dass es eine uralte Pflanze aus Südamerika sein soll, die die Guarani-Indianer (wer kennt sie nicht) in Paraguay oft und mit großer Begeisterung nutzten. Tatsächlich ist es aber wohl so, dass diese Pflanze nur in kleinen Teilen Paraguays und dort auch nur schwer zu finden war. Genutzt haben die Indianer diese Pflanze wohl auch, aber nicht als Süßungsmittel - dafür hatten die Honig - sondern als Verhütungsmittel für den Mann genutzt. Uff! Verwunderlich, dass nun gerade die Lebensmittelindustrie und nicht die Pharmaindustrie auf den Steviazug mit aufgesprungen ist.
In Europa also erst seit Ende 2011 zugelassen erfreut sich Stevia bei den Japanern großer Beliebtheit. Der Anbau und die Produktion findet größtenteils in China statt. Die Herstellung von Steviosid und Co. ist ein chemischer Prozess. Chemischer Prozess und Produktion in China machen mich hellhörig. Ich habe keine Ahnung, wie der Prozess aussieht und was am Ende als Nebenprodukte abfallen, aber wirklich wohl ist mir bei der Sache nicht.
Auf der Pro-Seite von Stevia stehen neben der Kalorienarmut sicher die Verträglichkeit für Diabetiker und das verminderte Kariesrisiko. Pluspunkte, auf jeden Fall! Aber wie sieht es mit der Verwendung in der Küche aus? Die Blätter sind nicht für den Lebensmittelmarkt zugelassen. Die Stevioside bekommt man - auch bei steviakaufen.com - in flüssiger Form, als Tab oder als Pulver. Wie erwähnt habe ich die flüssige Variante mal getestet. Als Süßungsmittel für Tee ist es eine tolle Sache, wenn man den Dreh mal raushat, wieviel Tropfen Stevia eine Tasse Tee vertragen kann. Auch das Süßen von z.B. Joghurts kann ich mir gut vorstellen, wobei ich das nicht getestet habe. Dafür habe ich einmal Cookies gebacken, was laut steviakaufen.com "Ideal beim Backen und Kochen" geeignet sein soll. Pusteblume! Ich habe meine Cookies also einmal mit Stevia und einmal mit Zucker gebacken. Schoko-Minz-Cookies. Der Geschmack kam mir sehr gleich vor, wobei die Pfefferminze schon sehr hervorstach und ich nicht sagen kann, ob es bei einfachen Cookies auch der Fall gewesen wäre. Die Kamerafrau meinte einen süßstoffähnlichen Nachgeschmack empfunden zu haben. Probleme gab es aber vor allem bei der Konsistenz. Problem beim Backen ist nämlich, dass der Zucker nicht nur für die Süße da ist, sondern auch einen nicht unbeträchtlichen Masseanteil ausmacht. Wie man diesen ausgleichen soll bekommt man nirgends verraten und die einzige Möglichkeit ist, neue, auf Stevia zugeschnittene, Rezepte zu entwickeln. Ein 1:1-Ersetzen ist nicht möglich. Meine Stevia-Cookies sind kurz nach dem Backen in ihre Einzelteile zerfallen. Das Krümelmonster hätte sicher seine wahre Freude daran gehabt. Ich fand es nicht so toll. Das Abmessen der Menge war ebenfalls ein großes Problem. 4ml brauchte ich. Und wie man 4ml ohne kleine Spirtzen aus der Medizinabteilung abmessen soll ist mir schleierhaft. Mein Haushalt verfügt über kein geeignetes Gerät dafür. Die Dosierung bleibt somit Gefühlssache.
Weiterhin habe ich ein Vanilleeis gemacht. Nach meinem Standardrezept. Die Probleme mit der Dosierung blieben die gleichen. Konsistenzprobleme gab es hier nicht, dafür geschmackliche. Die angesprochenen Bitterstoffe entfalteten ihr Wirkung und das Eis war nicht genießbar. Ich musste das Eis wegwerfen...ICH! Undenkbar eigentlich.
Zusammenfassend kann ich also festhalten, dass Stevia seine Vorteile hat: Keine Kalorien, kein Karies, gut für Diabetiker. Es eignet sich hervorragend zum Süßen von Tees. Backen ist hingegen nicht möglich, wenn man Zucker einfach durch Stevia ersetzen will. Hierzu Bedarf es neuer, angepasster Rezepturen. Die Dosierproblematik könnte mit Spritzen oder der Verwendung von Pulver behoben werden, vielleicht. Weder Tabs noch Pulver habe ich getestet und kann daher keine verlässlichen Angaben machen. Vielleicht sollte steviakaufen.com zum eigentlichen Produkt ihr Stevia-Backbuch gleich mitversenden, um solche Flops zu vermeiden. Über China, Ökobilanzen u.ä. brauchen wir sicher nicht reden. Das Etikett meiner Flasche hat die Herkunft der Ware leider nicht preisgegeben.
Stevia ist für meinen Geschmack nicht das neue Wundermittel im Bereich der Süßungsmittel, aber durchaus interessant. Die bereits erwähnten Kritikpunkte gipfeln zudem in einem recht hohem Preis. 50ml Flüssigstevia kosten 8,95 € und entsprechen 1,2 kg Haushaltszucker. Auch die Wirtschaft scheint eher zurückhaltend auf diesen Zusatzstoff zu reagieren. Noch schießen keine Produkte wie Pilze aus dem Boden, aber das kann ja noch kommen. Ich bin auf jeden Fall auf die Kreativität der Unternehmen insbesondere ihrer Marketingabteilungen gespannt und begnüge mich weiterhin damit, meine Kuchen mit Zucker zu backen. Das hat sich schließlich über lange Zeit bewährt. Meiner Steviapflanze im Garten und ihrer Weiterverarbeitung widme ich mich wohl erst dann, wenn die Kinderplanung abgeschlossen ist.
Dem Steviahype kann man ja seit einigen Monaten nicht mehr entrinnen. Benutzt habe ich dieses Mittelchen noch nicht, allerdings habe ich häufig gehört, dass es (a) gesund und (b) verdammt schwer zu dosieren sein soll und daher in der Alltagsküche kaum zu verwenden ist. (b) hast du ziemlich gut bestätigt und (a) teilweise widerlegt.
AntwortenLöschenMir war Stevia schon suspekt, weil es (in meiner Wahrnehmung) ziemlich plötzlich und heftig auf dem Markt auftauchte, aber deine Hinweise zur Produktion und Herkunft haben meine Zweifel noch verstärkt.
Schöner Beitrag!
Ja, an Stevia gab es fast kein Vorbeikommen und ich kann mir vorstellen, dass von der ein oder anderen Firma auch noch deutlich mehr kommt. Ich will das ja auch garnicht verteufeln, weil es durchaus positive Seiten hat, aber das andere sollte durchaus auch mal erwähnt werden.
LöschenVielen Dank!
Ja, ich habe es auch schon ausprobiert und war auch nicht begeistert. Ich hatte für einen Freund, der Diabetiker ist, einen Kuchen gebacken - und irgendwie wurde der gummiartig und auch leicht bitter. (Aber die Frage: Wie muss man das denn anwenden, um zu verhüten? Haben wir hier die Pille für den Mann? ;-))
AntwortenLöschenWeißte - wenn ich was Süßes will, nehme ich Zucker. Mal Rohrohr-, mal Raffinadezucker. Oder Honig. Es darf ruhig Kalorien haben, schließlich lebe ich nicht ausschließlich von Kuchen, Eis und Limo.
Ja, gerade backen ist schwierig, weil es wegen des Masseverlustes steviaspezifische Rezepte braucht und man nicht auf die alten Rezepte zurückgreifen kann.
LöschenDie Indianer haben es wohl in ihren Tee getan, so sagt es zumindest der Artikel. Ich bin auch sehr gespannt, ob in Richtung Pille für den Mann noch was passiert ;)
Und den Rest unterschreib ich auch mal so. Da gibt es nichts hinzuzufügen.
Steviablätter sind ganz cool zum so drauf herumkauen und halten, da man immer nur ein ganz kleines Stückchen abbeißen kann, auch lange an. Gute Alternative zu Kautabak (vgl. Cowboy im Herzen).
AntwortenLöschenWas das Süßen von Tees angeht, ist meine Erfahrung die selbe wie dein, Jim. Das klappt ganz gut. Backen ist eine ganz andere Sachen und zwar aus den von dir genannten Gründen. Zucker ist nicht nur Süße, sondern auch Masse. Es gibt wohl auch ein Granulat mit Inhaltsstoffen aus der Pflanze, das ähnlich wie Zucker zu dosieren ist, aber das ist dementsprechend natürlich um Mengen kostspieliger und ich komme vermutlich erst darauf zurück, wenn ich mal Altersdiabetes habe. Und die Auswahl an Steviarezepten zum Backen im Netz - u.a. von der Seite, von der du das Zeug bekommen hast -, hat zwei Nachteile: 1. sind die Bewertungen der Rezepte recht unerfreulich und 2. verwenden sie im zweifelsfall eben das genannte Granulat. Aber ich will ja nicht auf meine Lieblingsrezepte verzichten. Never change a winning team und so.
Mein Freund benutzt seit geraumer Zeit das Pulver zum Backen, bevor das ganze Zeug überhaupt legal als Nahrung in Deutschland zu haben war.
AntwortenLöschenBisher fand ich, dass Kochen und Backen mit Stevia ganz gut funktionieren. Ein paar Erfahrungen habe ich hier niedergeschreiben. Jedoch finde ich, dass Stevia einen eigenen, fruchtigen Geschmack hat (zumindest das Pulver) und das passt nicht immer in jedes Gericht.
Vielen dank für den Test... Ich sehe das ganze auch sehr skeptisch!
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